Folkloristisch beeinflusste Kammermusik in der Mühle
Konzertrezension von Martin Borck (Westfälische Nachrichten)
Epe – Das leise Rauschen der Dinkel im Hintergrund, der Sommerwind, der sich am Donnerstagabend recht böig zeigte, das im wahrsten Sinne des Wortes kammermusikalische Ambiente in der Mühle – die Rahmenbedingungen stimmten beim Auftritt des Duos Aliada.
Michał Knot (Saxofon) und Bogdan Laketić „Coffin Ship“ stellte als erstes Stück nach der Pause auch einen musikalisch-geografischen Übergang dar zwischen dem ersten Teil mit Kompositionen vorwiegend aus Ost-Europa und dem zweiten mit Musik aus Nord-Amerika. Beiden Teilen waren die folkloristischen Einflüsse gemein.
Béla Bartók war von Volksmusik fasziniert. Davon zeugen auch die „Rumänischen Volkstänze“, in die er die ruralen Rhythmen und Melodien aufgreift. Das Duo Aliada verlieh mit seinen Bearbeitungen den turbulenten Tänzen urtümlich-authentischen Schwung.
Da außerordentlich wenig Originalkompositionen für die Besetzung Saxofon/Akkordeon existieren, haben die beiden Musiker viele Stücke neu arrangiert. Strawinskys „Russischen Tanz“ aus „Petruschka“ zum Beispiel. Den hatte der Komponist für den Meister-Pianisten Vladimir Horowitz umgeschrieben. Diese Bearbeitung war wiederum Grundlage für das Arrangement von Aliada. „Selbst für vier Hände ist das immer noch technisch sehr anspruchsvoll“, zollte Laketic dem Pianisten Respekt. Ein Anspruch, dem die Musiker virtuos gerecht wurden.
Bei Griegs „Lyrischen Stücken“ ließen die Musiker das Wasser akustisch im „Bächlein“ perlen, sprudeln, über Stock und Stein fließen. Die „Melodie“ schlug einen Bogen von zart bis drängend, während der „Zug der Trolle“ einen keckernden, frech übereinander purzelnden Haufen dieser nordischen Wichte präsentierte – die erst nach einem Machtwort in einem gesitteten Zug weiterziehen.
Die beiden Musiker stellten den Zuhörern (hierzulande) weniger bekannte Komponisten vor. Die Tanzvorspiele des Polen Witold Lutosławskis erwiesen sich als kleine Klangperlen. Vlastimir Pavlovics „Žikino Kolo“ – ein Tanz aus Südserbien – versprühte das Temperament des Balkans. Die beiden Interpreten verstehen sich fast blind – was in der dynamischen Improvisation zum Ausdruck kam, die das Stück einleitete.
Auch jenseits des großen Teichs gibt es einen unerschöpflichen Vorrat an Tonmaterial. Preludes von Gershwin, die vom Jazz beeinflusst sind, sowie kleine Szenen, die Chick Corea in seinen „Children Songs“ eingefangen hat und deren schöne Schlichtheit in der Fassung für Akkordeon und Saxofon ausgezeichnet zur Geltung kam. Südländisches Flair spritzte beim stolzen „Danzón“ von Arturo Márquez aus den Instrumenten. Die Zuhörer in der voll besetzten Mühle erklatschten sich eine kurze Piazolla-Zugabe, bevor der anregend-musikalische Sommerabend zu Ende ging.
“Folkloristisch beeinflusste Kammermusik in der Mühle” – Martin Borck (Westfälische Nachrichten)