Vollblutmusiker

Kritik von Matthias Keller (BR Klassik)

Gerade einmal zwei Jahre spielen sie zusammen als festes Duo: der polnische Saxofonist Michal Knot und der aus Serbien stammende Akkordeon-Virtuose Bogdan Laketic. Beide blutjung, beide zur Zeit wohnhaft in Wien und beide auf der Suche nach Anerkennung ihrer Instrumente, deren Vorgeschichte ebenfalls vergleichsweise jung ist – gemessen an etablierten “klassischen” Instrumenten wie Geige oder Klavier.

Das führt beinahe zwangsläufig dazu, Werke zu adaptieren – von Vivaldi über Bach, Berg, Debussy und Penderecki bis hin zu De Falla und Piazzolla. Und ganz ohne Ohrwürmer kommt auch diese CD nicht aus: Vivaldis berühmtes Konzert “La Notte”, ein Klassiker der barocken Flötenliteratur, musste einfach mit ins Programm. Doch schon hier zeigt sich: es geht um mehr als das bloße Kokettieren mit Klassik-Pralinés auf folkloristisch vorbelasteten Instrumenten. Die Ernsthaftigkeit und stilistische Sorgfalt, mit der Michal Knot und Bogdan Laketic sich dieser Musik nähern, lässt aufhorchen. Auch wenn ihr Instrumentarium gerade in Sachen Barock zweifellos ein Anachronismus ist, denn weder Bach noch Vivaldi oder Georg Friedrich Händel ahnten zu ihrer Zeit etwas von einem Saxofon oder Akkordeon.

EIN PLUS AN FRISCHE

Die Sonate in g-Moll beispielsweise schrieb Händel ursprünglich für Blockflöte und Cembalo. Aber auch in der vorliegenden Interpretation mit Sopran-Saxofon und Akkordeon büßt das Stück nichts ein von seiner Originalität und Strahlkraft. Im Gegenteil: Es gewinnt an Extrovertiertheit, an Frische – so, als würde ein Fenster aufgerissen für die größere Öffentlichkeit.

MUT ZUM RISIKO

So richtig kongenial wird es dort, wo sich das Duo Aliada aufmacht ins 20. Jahrhundert. Etwa in Béla Bartóks “Rumänischen Vorkstänzen”. Spätestens von hier an tritt die Frage nach dem authentischen Instrumentarium in den Hintergrund, weil die beiden Musiker ganz einfach den musikalischen Nerv der Komposition treffen und ihr ganzes Temperament in die Waagschale werfen. Waagschale, phonetisch verwandt mit “Wagnis”. Denn ein solches ist es zweifellos, wenn man ein Stück von Krzysztof Penderecki, das ursprünglich für Klarinette und Klavier geschrieben wurde, jetzt auf Saxofon und Akkordeon überträgt – so wie die “Drei Miniaturen” von 1954.

LUST AUF MEHR

Auch hier zeigt sich: Diese beiden Vollblutmusiker machen einfach Musik, auch wenn sie Werke spielen, die nicht für ihre Instrumente geschrieben wurden. Und das wiederum macht Lust auf mehr. Zum Beispiel auf eine Originalkomposition, die diesem Duo regelrecht auf den Leib geschrieben ist. “Aliada” übrigens kommt aus dem Spanischen und bedeutet soviel wie “Verbündete”.

“Vollblutmusiker” – Kritik von Matthias Keller (BR Klassik)